Anwalt Frank Duic Dinslaken
Aktuelles zum Strafrecht
(Beachten Sie bitte, dass es sich bei den Meldungen und Entscheidungen, Aktuelles zum Strafrecht, in der Regel um Einzelfallentscheidungen handelt. Diese sind nicht ohne weiteres auf andere Fälle übertragbar und können eine Rechtsberatung im konkreten Einzelfall nicht ersetzen!)
Kinderpornographie Lehrer
Der Besitz von Kinderpornographie ist nach § 184b Abs. 3 StGB mit einer Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren bedroht.
Ist der Beschuldigte Ersttäter, beträgt die verhängte Strafe in der Regel weniger als 2 Jahre und wird auch zur Bewährung ausgesetzt.
Insbesondere, wenn der Beschuldigte Beamter ist, drohen allerdings gravierende berufsrechtliche Konsequenzen.
Bis vor wenigen Jahren war es so, dass die Rechtsprechung danach unterschied, ob sich die Kinderpornografie auf dem Dienstrechner oder auf privaten Speichermedien befand. In letzteren Fällen drohte in der Regel keine Entfernung aus dem Dienst.
Dies hat sich nun gründlich geändert.
Ein Beamter der Agentur für Arbeit war wegen Besitzes von Kinderpornografie auf seinem privaten Rechner zwar zu lediglich 9 Monaten auf Bewährung verurteilt worden, wurde aber aufgrund einer inzwischen rechtskräftigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Meiningen aus dem Dienst entfernt, das Bundesverwaltungsgericht hat dies nun auch für zwei Berliner Lehrer bestätigt, die sich in vorhergehenden Instanzen noch erfolgreich gegen den Verlust des Beamtenstatus und der Pensionsansprüche gewehrt und die in den jeweiligen Strafverfahren lediglich Geldstrafen von 50 bzw. 90 Tagessätzen erhalten hatten- Urteile vom 24.10.2019 – 2 C 3.18 und 2 C 4.18.
Die Aussagefreiheit des Beschuldigten im Strafverfahren
Bei Beginn der ersten Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen (§ 136 Abs. 1 S. StPO). Er ist darauf hinzuweisen, dass es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen (§ 136 Abs. 1 S. 2 StPO). Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren (§ 136 Abs. 1 S. 3 StPO). Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen (§ 136 Abs. 1 S. 4 StPO). Die Aussagefreiheit des Beschuldigten und das Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung sind notwendiger Ausdruck einer auf dem Leitgedanken der Achtung der Menschenwürde beruhenden rechtsstaatlichen Grundhaltung. Dazu gehört, dass im Rahmen des Strafverfahrens niemand gezwungen werden darf, sich durch seine eigene Aussage einer Straftat zu bezichtigen oder zu seiner Überführung aktiv beizutragen. Der Beschuldigte muss frei von Zwang eigenverantwortlich entscheiden können, ob und gegebenenfalls inwieweit er im Strafverfahren mitwirkt. Die Verletzung der Aussagefreiheit kann auch außerhalb von Vernehmungen nach §§ 136, 136a StPO zu einem Beweisverwertungsverbot führen, so z.B. wenn sich ein Beschuldigter im ununterbrochenen polizeilichen Gewahrsam befindet, in dem auf das Recht zu Schweigen nicht Rücksicht genommen wird, sondern eine dauerhafte Befragung stattfindet (Bundesgerichtshof, 06.03.2018, Az. 1 StR 277/17).
Anforderungen an den Anklagesatz beim Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt
Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (§ 200 Abs. 1 S. 1 StPO). Enthält die Anklageschrift diese Angaben, die als Umgrenzungsfunktion bezeichnet werden, nicht, kann sie an einem wesentlichen Mangel leiden, der zur Verfahrenseinstellung (§ 206a StPO bzw. § 260 Abs. 3 StPO) führen kann.. Insbesondere in Strafverfahren wegen des Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) ist es immer wieder streitig, ob die Umgrenzungsfunktion der Anklageschrift gewahrt wurde. Um die Umgrenzungsfunktion zu wahren muss im Anklagesatz das relevante Verhalten und der Taterfolg i.S.v. § 266a StGB angeführt sein. Einer Berechnungsdarstellung der nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge bedarf es hingegen nicht (Bundesgerichtshof, 09.01.2018, Az.: 1 StR 370/17).
“Strafkammerbericht” des OLG Celle
Von 2009 bis 2014, haben Landgerichte Daten von über 11.000 Strafverfahren erhoben, die das Oberlandesgericht Celle ausgewertet hat. Der „Strafkammerbericht” von Dr. Sabine Ferber fasst die Ergebnisse der Erhebung auf knapp 200 Seiten zusammen. Die breit angelegte Untersuchung und die große Zahl der beteiligten Gerichte hat zu einem enormen Fundus von Daten geführt, der u.a. wichtige Hinweise für Gerichtsorganisation und Geschäftsverteilung liefert. Dabei darf aber nicht verkannt werden, dass das Gerichtsverfassungsgesetz und die Strafprozessordnung den Gerichten insoweit nur wenig Spielraum lassen. Deshalb können die Ergebnisse der Erhebung auch im Reformprozess des Strafverfahrensrechts genutzt werden. In der Spitze haben sich 22 Landgerichte aus 6Bundesländern, darunter alle Landgerichte aus dem Oberlandesgerichtsbezirk Celle (also die Landgerichte Bückeburg, Hannover, Hildesheim, Lüneburg, Stade und Verden) an der Untersuchung beteiligt. Sie haben nicht nur die üblichen Statistikdaten übermittelt, sondern darüber hinaus Daten erfasst, die sich aus Protokollen der Hauptverhandlungen oder richterlichen Verfügungen ergeben, wie z.B. die Anzahl von Angeklagten und Verteidigern, die Zahl der Hauptverhandlungstage und deren Dauer, die Zahl der Befangenheitsanträge oder den Aktenumfang. Wesentliche Erkenntnisse der Datenauswertung sind u.a.:
Nichthaftsachen vor allgemeinen Strafkammern und Jugendstrafkammern dauern durchschnittlich doppelt so lange (300Tage zwischen Eingang der Anklage bei Gericht und abschließender Entscheidung)wie Haftsachen. Nichthaftsachen vor den Wirtschaftsstrafkammern dauern nochmal doppelt so lange.
Wegen der Verfahrensdauer wurde in Haftsachen vor den allgemeinen Strafkammern und den Jugendstrafkammern in weniger als 2 % der Fälle das Strafmaß im Wege eines Vollstreckungsabschlages reduziert. In Nichthaftsachen vor den Wirtschaftsstrafkammern lag der Anteil im Erhebungszeitraum zwischen einem Drittel und einem Viertel der Verfahren.
Bei einzelnen Gerichten gibt es einen deutlichen Zusammenhang zwischen einem hohen Schwierigkeitsgrad der Verfahren,der u.a. anhand von Umfang der Akten und Zahl der Anklagten ermittelt wurde, und der Verfahrenslaufzeit.
Der Anteil der Haftsachen, die vor den allgemeinen Strafkammern in einer Kammerbesetzung mit nur zwei statt mit drei Berufsrichtern verhandelt wurden, ist von 2009 bis 2014 kontinuierlich und erheblich von 79 %auf 49 % gesunken. Gleiches gilt für die Nichthaftsachen. Dort sankt der Anteil der in Zweierbesetzung verhandelten Verfahren von 84 % auf 64 %.
In Haftsachen vor allgemeinen Strafkammern und dem Schwurgericht ist der Anteil an kleinen Verfahren mit geringem Aktenumfang von 54 % auf 37 % gesunken, während der Anteil von umfangreichen Verfahren von 16 % auf 24 % gestiegen ist. Dabei gibt es allerdings zwischen den einzelnen Gerichten große Unterschiede.
Bei einzelnen Gerichten liegt der Anteil an Haftverfahren, in denen Befangenheitsanträge gestellt werden, bei über 10 %.Jeder Befangenheitsantrag löst ein zeitaufwändiges und kompliziertes Prozedere aus. Deshalb sind sowohl vom ersten, als auch vom zweiten bundesweiten Strafkammertag (im Februar 2016 in Hannover, im September 2017 in Würzburg)verfahrensrechtliche Vereinfachungen gefordert werden, die auch im Strafkammerbericht dargestellt werden.
Gestiegen, nämlich von 28 % auf 37 %, ist der Anteil von Verfahren mit mehr als 11 Zeugen pro verhandeltem Haftverfahren vor den Strafkammern und Schwurgerichten.
(Pressemitteilung des OLG Celle vom 04.01.2018).
Änderungen im StGB und der StPO
Der (abgeschaffte) Richtervorbehalt zur Blutabnahme bei Gefährdung des Verkehrs oder Trunkenheit am Steuer
Früher musste im Falle einer Gefährdung des Straßenverkehrs und des Verdachts auf Alkoholkonsumein Richter die Blutentnahme beim Autofahrer anordnen, sofern keine Gefahr im Verzug vorlag. Demzufolge fand die Blutabnahme häufig erst wesentlich später statt als die Autofahrt. Das hatte für den Kraftfahrzeugführer bei tatsächlichem Alkoholkonsum den Vorteil, dass die gemessene Blutalkoholkonzentration entweder niedriger war oder schlicht gar kein Alkohol im Blut mehr nachgewiesen werden konnte. Doch damit ist nun Schluss: Der neue § 81a der Strafprozessordnung übergibt die Entscheidungskompetenz zur Blutabnahme im Wesentlichen nun der Polizei. In Zukunft kann also die Polizei bei Verdacht im Grundsatz selbst schon eine Blutabnahme anordnen, was den Prozess erheblich beschleunigt.
Fahrverbote nicht nur als Strafe für Straßenverkehrsdelikte
Bislang sieht das Strafgesetzbuch lediglich zwei Strafarten vor: Erstens die Freiheitsstrafe, die unter Umständen auch zur Bewährung ausgesetzt werden kann, und zweitens die Geldstrafe. Die nächste Neuerung in §44 des Strafgesetzbuches ergänzt diese zwei Arten der Strafe um eine weitere: Ab sofort können Fahrverbote als allgemeine Strafe für sämtliche Delikte des Strafgesetzbuches verhängt werden. Das soll beispielsweise reiche Menschen treffen, die eine „normale“ Geldstrafe in der Regel nicht sonderlich beeindruckt. Zu beachten ist jedoch, dass ein mehrmonatiges Fahrverbot als Strafe noch lange nicht bei allen Vergehen angemessen ist.
Die (reformierte) Erscheinungspflicht von Zeugen
Bislang waren Zeugen nur zur Aussage verpflichtet, solange sie von der Staatsanwaltschaft oder dem zuständigen Richter vorgeladen wurden. Auch hier erweitert die neuste StPO-Reform die Kompetenz zugunsten der Polizei: Künftig haben Zeugen auch die Pflicht, den Vorladungen der Polizei Folge zu leisten, soweit diese von der Staatsanwaltschaft angeordnet worden sind.
Strafzumessung beim sexuellen Missbrauchs eines Kindes
Bei der konkreten Strafzumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab, wobei Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, nicht berücksichtigt werden dürfen (§ 46 Abs. 1 u. 3 StGB). Es verstößt sowohl gegen das Verbot der Doppelverwertung (§ 46 Abs. 3 StGB) als auch gegen den Zweifelsgrundsatz, wenn bei einer Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes strafschärfend berücksichtigt wird, die „Tatfolgen seien nicht absehbar“. Auch die Erwägung, es sei „trotz der zeitlichen Zäsur und der zwischenzeitlich empfundenen Reue zu einem weiteren Übergriff gekommen“, stellt im Hinblick auf § 46 Abs. 3 StGB keinen zulässigen Strafschärfungsgrund dar. Schließlich darf die Lebensführung als solche dem Angeklagten nicht angelastet werden, solange sich diese weder als strafbares Verhalten darstellt noch sonst in einer Beziehung zu den abgeurteilten Taten steht (Oberlandesgericht Bamberg, 09.10.2017, Az.: 3 OLG 6 Ss 94/17).
Durchsuchung beim Nichtbeschuldigten (§ 103 StPO)
Beim Nichtbeschuldigten sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des Beschuldigten oder zur Verfolgung von Spuren einer Straftat oder zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände und nur dann zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die gesuchte Person, Spur oder Sache sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet (§ 103 Abs. 1 S. 1 StPO – Durchsuchung bei anderen Personen). Dem von einer Durchsuchungsmaßnahme nach § 103 StPO betroffenen Dritten ist grundsätzlich bei Vollzug der Maßnahme eine Ausfertigung des Anordnungsbeschlusses mit vollständiger Begründung auszuhändigen. Die Bekanntgabe der vollständigen Gründe kann in Ausnahmefällen bei einer Gefährdung des Untersuchungserfolgs oder entgegenstehender schutzwürdiger Belange des Beschuldigten vorläufig zurückgestellt werden. Die Zurückstellung der Bekanntgabe umfasst jedoch im Regelfall nicht die Mitteilung der Tatsachen, aus denen sich die Wahrscheinlichkeit ergibt, dass sich die gesuchten Gegenstände in den Räumlichkeiten des Drittbetroffenen befinden (Bundesgerichtshof, 28.06.2017, Az. 1 BGs 148/17).
Verjährung der Bestechung/Bestechlichkeit
Die Verjährungsfrist bei Bestechung und Bestechlichkeit beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB).
Werden Bestechung oder Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in der Form begangen, dass der Bestechende zunächst den Vorteil gewährt und der Bestochene sodann die im Wettbewerb unlauter bevorzugende Handlung vornimmt, so sind beide Taten beendet und beginnt damit die Frist für deren Verfolgungsverjährung zu laufen, wenn diese Handlung vollständig abgeschlossen ist. Bestehen die bevorzugenden Handlungen nach der getroffenen Unrechtsvereinbarung in dem Abschluss und der Durchführung eines Vertrags, so tritt daher die Beendigung der Taten erst ein, wenn der Bestochene die letzte von ihm zur Vertragserfüllung bestimmte Leistung erbringt (Bundesgerichtshof, 18.05.2017, Az.: 3 StR 103/17).